Nadja Kobler-Ringler – „Eigentlich bin ich ganz nett …“
Menschliches aus Anwalts-Welt
… ja, sind Anwälte denn keine Menschen? Die Frage stellt sich hier als erste. Es ist ja nun mal so: Wir Nichtjuristen haben mit diesem Berufsstand erst dann zu tun, wenn ein Problem richtig brennt, wenn eine Auseinandersetzung wirklich am Kochen ist. Erst dann stellt sich uns die Frage, wie das eigentlich gesetzlich geregelt ist, wer denn nun wirklich Recht hat und wer ggf. für was zu haften hat. Der Gelegenheiten sind viele. Dann benötigt man … eine Fachfrau / einen Fachmann fürs Streiten. Kann man Anwält:innen darauf reduzieren: Auf das Streiten?
Natürlich nicht. „Auch Anwält:innen sind Menschen.“ Und deshalb lohnt es sich auch – für Nichtjuristen – sich dieses Buch einmal anzusehen. Es klärt einiges, was die Gepflogenheiten des Berufsstandes angeht. Angefangen beim Honorar: Wirklich? So teuer? Für eine simple Auskunft? (Lektor:innen kennen diese staunenden Augen auch: So viel – für ein paar Kommas?) (Ach, eigentlich kennt das jede:r, der sein Geld allein aus seinem Kopf heraus verdient) (… die ihr Geld allein aus ihrem Kopf heraus …) (… für das bisschen gendern, so viel?)
Und dann das nächste „Problem“: Dank der Dominanz US-amerikanischer Spielfilme sind wir inzwischen mit dem US-Rechtssystem so gut vertraut, dass wir diese – und genau diese – US-Szenerie auch auf dem Forum deutscher Gerichte sehen wollen! Und also erwarten wir von den Vorkämpfer:innen unserer Rechte auch ein ordentlich theatralisches, filmreifes Fechten! Ein Hollywood-Drama soll es sein: So fühlt es sich ja schließlich auch an, wenn man persönlich involviert ist. Dass es bei uns in der Regel weitaus moderater zugeht und dass Fakten im Endeffekt weitaus mehr zählen als stürmische Rhetorik, ja, daran muss man sich dann erst gewöhnen. Und das ist nur der Anfang.
Die Perspektive erweitern
Es gibt noch mehr zu lernen. Über jenen Berufsstand und dessen Blickwinkel auf die Welt, der dem unseren, heidinormalverbraucherinnenhaften doch gar nicht so unähnlich ist. Es gibt viel zu erzählen. Nadja Kobler-Ringler macht das meisterhaft: In einem unbeschwerten, charmanten Ton. Das liest sich so flüssig, so spaßig und augenzwinkernd, dass man gar nicht merkt, wieviel Gehalt es eigentlich hat. Erst danach … merkt man es. Wie war das nochmal? Gottlob, es ist ein Buch: Man kann zurückblättern und nachschlagen. Nochmal lesen, nochmal genießen. Ihre unverblümten, mal frechen, mal humorvollen, mal einfach nur ehrlichen, aber immer gescheiten Bemerkungen. Nicht unterschätzen!
Und das ist es, was das Buch so lesenswert macht: Es erweitert die Perspektive. Das gilt sicher auch für Jurist:innen, insbesondere für angehende. Ist das Buch Studienlektüre? Sicher nicht. Aber es hilft ebenso sicher, sich nach dem Studium in der realen Welt zurechtzufinden. Es hilft zu erkennen, was den Mandanten seltsam oder erklärungsbedürftig vorkommt, und sich darauf vorzubereiten. Schließlich, das sind wir alle: Menschen, die mit anderen Menschen klarkommen müssen. Die Anwältin hilft dabei. Als zoon politikon.
Last, but not least (herrjeh, dass sich diese Phrase immer wieder einschleichen muss … aber ja: „last, but not least“ also): Dazu passen die Illustrationen von Nina Krüger-Schmale ganz wunderbar. Sie wirken so naiv, so simpel, fast schon kindlich … und gerade dadurch treffen sie mitten ins Ziel. – Auch so ein Fall von wirklich wertvollen Kopfgeburten.
